Bei den klassischen Trawlern steht der Name „Grand Banks“ quasi als Gattungsbezeichnung. Wer immer sich auf die grosse Reise ins Abenteuer aufmachte, setzte mit Grand Banks auf einen sicheren Wert. Aber legendäre Marken zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie sich selbst neu erfinden können. Grosser Kurswechsel ist angesagt…
Grand Banks hat es im Laufe seiner Firmengeschichte geschafft, zur Kultmarke zu werden, ungefähr so wie Jeep, Levis oder Coca-Cola. Der Brand stand für Reisen, Abenteuer, Entdecken. Der Trawler war das ideale Gefährt, um abgelegene Reviere zu erforschen. Die typischen Verdränger wurden in Alaska, Kanada, in Asien und auf den Bahamas gesichtet. In den letzten Jahren war es ruhig um die Marke geworden, die etwas an Dynamik verloren hatte. Mit dem Kauf der Werft Palm Beach Motor Yachts aus Australien kam dann wieder frischer Wind in die Modell-palette. Und mit Mark Richards, dem einstigen Besitzer von Palm Beach, ein neuer CEO in den Steuerstand.
Mark Richards (siehe WAVE 30) ist kein Mann für halbe Sachen. Als neuer CEO der GB-Marke, die auf 60 Jahre Yacht-
geschichte zurückblicken kann, gibt er den Kurs neu vor. Rock ’n ’ Roll ist tot – jetzt kommen die Gleiter von Grand Banks. Die GB 60 Flybridge ist nicht nur das neue Flaggschiff, sondern gibt gleichzeitig die zukünftigen Para-meter für die neue Ausrichtung der US-Marke vor.
Mehr Qualität geht nicht
Bei Grand Banks hat man seit jeher auf den Produktionsstandort Malaysia gesetzt. Und das mit Recht. Die ausgelieferten Yachten markieren Qualitätsmassstäbe, das lokale Handwerker-Knowhow war und ist ohne Fehl und Tadel. Richards‘ Philosophie lautet: was man Selbermachen kann, machen wir selber. Denn was man alles unter einem Dach hat, kann einfacher eingeplant und eingebaut werden. Selbst beim Design gibt man dem internen Team den Vorzug. Die wissen schliesslich aus Erfahrung, was betuchte Kunden wollen. Die neue Sechziger GB kommt auf alle Fälle extrem schnörkellos daher. So viel Understatement sucht man sonst im Luxusbereich vergebens. Bei Grand Banks geht es nicht darum, möglichst trendy (und damit schon bald altmodisch) auszusehen, sondern dem Kunden eine zeitlose Yacht anzubieten. Schliesslich ist der Kaufpreis von 3 Millionen so etwas wie eine kleine Investition, und da möchte man doch einen guten Wiederverkaufspreis erwarten.
Let’s cruise together
In der neuen Sechziger steckt viel Aussie-Spirit: Unkompliziert, viel Platz für Familie, best Buddies und Fun & Sun. Die Yacht wirkt durch ihre Schlichtheit noch einiges grösser. Richtiges Outdoor-Feeling kommt auf der Achterterrasse auf, wo man auch schnelles Cruisen relaxt geniessen kann. Hinter der Rückbank versteckt sich eine Openair-Pantry, denn wer will bei schönem Wetter schon drinnen kochen? Wer sich den Fahrtwind um die Nase und Ohren wehen lassen möchte, sucht sich einen sonnigen Platz auf dem grosszügig dimensionierten Vordeck.
Der Social-Aspekt wird durch die clever platzierte Kombüse abgehakt. Mehr Bar als biedere Küche, verbindet sie den Innen- und Aussenteil. Nicht nur zur Happy Hour oder zum Sundowner wird man sich hier von aussen wie von innen zu einem Drink treffen. Der oder die Küchenverantwortliche steht dabei stets im Mittelpunkt und wird durch seine
lobenswerte Tätigkeit nie vom Bordleben ausgeschlossen. Nach getaner Arbeit verschwinden die absenkbaren Küchenregale wieder unsichtbar nach oben und die Sicht ist wieder ungehindert. Die Kommandobrücke im ersten Stock verfügt über einen eigenen Kühlschrank (und ein eigenes WC), damit man nicht nach jedem Bierchen die Flybridge ver-
lassen muss. Auch hier sind interessierte Gäste willkommen. Entweder sitzt man neben dem Steuermann oder man macht es sich auf dem L-förmigen Sofa bequem und geniesst den Rundumblick. Das Sofa kann auch der „Working Crew“ bei längeren Passagen als Schlafgelegenheit dienen. Die Scheiben der Lounge lassen sich komplett absenken und bei geöffneten Schiebefenstern kommt so richtiges Cabrio-Feeling auf. Die geschlossene Skylounge bietet sich deshalb als beste Alternative in kühlen wie auch in heissen Gefilden an, hier punktet die neue gegenüber dem Vorgängermodell mit offener Flybridge. Die beiden seitlichen Terrassen verleihen der Yacht den Appeal eines weitaus grösseren Schiffes. Von hier oben wird auch der Tender (der 4.2 Meter lang sein kann) per Kran gewassert.
Eine schwimmende Villa
Selbst wenn eine Grossfamilie im Salon essen möchte, kommt kein Gedränge auf. Die Sitzbereiche sind aufgeteilt und jeder findet seinen Lieblingsplatz. Die Treppe zur Skylounge ist clever luftig gestaltet, sodass sie optisch nicht ins Gewicht fällt. Vom Salon geht es mittschiffs nach unten zu den Kabinen und Badezimmern. Das Rumpfvolumen wurde dabei besonders gekonnt ausgenützt und bietet Platz für zwei Doppelbett-Kabinen plus eine Kabine mit zwei Einzelbetten. Das Ambiente ist am besten mit „nobel“ zu beschreiben, der Ausbau hochwertig. Wie in einem Luxushotel sorgen lärmdämmende Bauteile für eine flüsterleise Geräuschkulisse. Erst so ab 18 Knoten wird man gewahr, dass da irgendwo noch zwei Motoren ihren Dienst versehen, aber noch immer kann man sich angenehm unterhalten, der Akkustikpegel wird durch weiche Teppiche und substantielle Holzverarbeitung weiter gedämpft. Wie es sich für eine Long-Distance-Cruisingyacht gehört, steht genügend Stauraum für die Reisegarderobe zur Verfügung. Und der Wohnwert ist so hoch, dass fast kein Heimweh nach der heimischen Villa aufkommt.
Auch auf einen Weinkeller muss man nicht verzichten. Der wird in Form eines Wine Coolers im Salon angeboten – weitere Kühlschränke findet man übrigens auch im Achtercockpit – oder soll man sagen: Achtersalon? Veranda? Bei unserem Testtrip lagerte dort australischer Weisswein vom Oakley Wineyard. Wer das Portrait von Mark Richards aus Wave 30 noch präsent hat, wird die Wahl verstehen. Und es ist auch nicht viel Kombinationsgabe nötig, um herauszufinden, wohin eine der nächsten 60er Skylounge ausgeliefert wird. Unser Testmodell wird jedoch in Kanada seine neue Heimat
finden. Mit der geschlossenen Flybridge (pardon: Skylounge) wird dieses Grand Banks Modell zur ersten Wahl für ein schwimmendes Heim, egal ob in kühleren oder tropischen Gefilden.
Zügig unterwegs
Schneller Wohnen anstatt schwimmendes Heim – das umschreibt das 60er Modell am besten. Die Rumpfform orientiert sich an schnellen militärischen Vorbildern wie Schnell- und Torpeedobooten – bewährt und effizient. Der nach hinten abgeflachte Rumpf sorgt dann in zweiter Instanz für mehr Stabilität und Komfort. Beim Bau wird die GFK-Schale mit Karbon dort verstärkt, wo Kräfte aufgefangen und verteilt werden müssen. Ein Rumpf aus Vollkarbon wäre hingegen
viel zu steif und mit seiner Härte als Resonanzkörper extrem lärmsteigernd ausgefallen. Dafür ist alles über dem Rumpf inklusive Skylounge aus leichterem Karbon realisiert worden. Oben ohne Gewicht verleiht der Grand Banks 60 Skylounge einen tieferen Schwerpunkt, was wiederum in einer sicheren und stabilen Kurvenfahrt auch bei engen Radien resultiert. Angenehmer Mebeneffekt: die Gewichtsreduktion spart ganz schön Treibstoff.
Auf der Brücke fühlt man sich wie ein
Kapitän auf grosser Fahrt. Hochwertige und komfortable Twin-Steuersitze machen den Aufenthalt hier noch angenehmer. Die Motoren scheinen weit weg, dabei wurden sie der Balance wegen eigentlich eher in die Schiffsmitte gelegt.
So kommt es auch, dass die GB 60 Skylounge beim Gasgeben nicht vorne aufsteigt, sondern sich eher gesamthaft etwas aus dem Wasser hebt – von einer stabilen Lage zur nächsten. Vom Elektronikpaket ist alles da, was man braucht, ohne gleich in Richtung Informations-Overkill zu driften. Die GB 60 reagiert umgehend auf Ruderbefehle, auch auf Gasgeben und -wegnehmen spricht sie unverzüglich an. Die Rundumsicht ist perfekt, mehr Überblick kann man sich im Stehen verschaffen. Beim Rückwärtsanlegen wechselt man an den kleinen ausklappbaren Steuerstand im Achtercockpit, wo man auch gleich noch das Leinenhandling auf Backbord miterledigen könnte.
Unter der grossen Bodenplatte des Achtercockpits versteckt sich der Zugang zu den beiden Volvo-Aggregaten – und jede Menge Stauraum. Wer immer sich um die Wartung der D13 -Zwillingsmotoren mit je 900 PS kümmern muss, wird die leichte Zugänglichkeit zu schätzen wissen. Diese Antriebseinheit schaffte die 30-Knoten-Limite locker zu knacken, ohne dass man sich Sorgen wegen zu hoher Drehzahl oder Lärm machen müsste. Wer schneller weiterkommt, hat mehr vom Leben und sieht mehr. Ausserdem stellt das Geschwindigkeitspotential auch einen Sicherheitsfaktor dar, wenn man einer Schlechtwetterfront ausweichen muss. Die ideale Cruising-Geschwindigkeit liegt bei 22 bis 25 Knoten, je nach Wellenbild. Wer mehr auf Reichweite setzen möchte fährt die Hebel bis auf 9 bis 10 Knoten zurück. Dann reicht eine Tankfüllung (5’800 Liter) von Florida bis Kanada oder rein rechnerisch über den Atlantik, wenn man eine nördliche Route wählt…